Gemeinsam wachsen – Wie eine starke Lernkultur im Team entsteht

Lernkultur: Drei Fachkräfte teilen Wissen an einer Glaswand mit orangefarbenen Haftnotizen – Visualisierung von Teamlernen in moderner Arbeitsumgebung.

Wie würde sich Ihre Zusammenarbeit verändern, wenn sich alle im Team sicher genug fühlten, offen zu lernen – auch aus Fehlern? Zahlreiche Führungskräfte investieren Zeit und Energie in Entwicklungsgespräche, Feedbackprozesse oder interne Schulungen. Dennoch bleibt oft ein Gefühl zurück: Es bewegt sich zu wenig. Menschen bleiben vorsichtig, sprechen ungern über Unsicherheiten – oder lernen nur, wenn es unbedingt nötig ist.

Genau hier zeigt sich die Kraft – oder Schwäche – einer Lernkultur.

Denn wie offen Menschen im Team lernen, hängt nicht allein von ihrem Wissen oder ihrer Motivation ab. Viel entscheidender ist das Umfeld: Ob dort Vertrauen herrscht, wie mit Fehlern umgegangen wird, ob Lernen als selbstverständlich gilt oder als Ausnahme. Lernkultur ist kein Add-on – sie ist der Boden, auf dem jede Form von Entwicklung gedeihen oder versickern kann.

Lernkulturen lassen sich in verschiedene Formen gliedern, z. B. Einzelarbeit, Gruppenlernen, Projektarbeit, Blended Learning oder selbstgesteuertes Lernen. Jede Form folgt einem anderen Bedürfnis nach Struktur, Freiheit oder sozialem Austausch – und beeinflusst, wie Lernen im Alltag gelebt wird.

Lernkultur beschreibt die gelebten Werte, Haltungen und Routinen, die Lernen im Team und in der Organisation fördern oder hemmen. Sie entsteht aus Führung, Kommunikation, Fehlerumgang und dem alltäglichen Verhalten.

In einer positiven Lernkultur ist Lernen ein definierter Wert, Feedback ist erwünscht, Fehler sind erlaubt und Entwicklung wird als gemeinsame Aufgabe gesehen. Führungskräfte agieren als Mentoren und leben kontinuierliches Lernen sichtbar vor.

Lernkultur wird gefördert durch psychologische Sicherheit, offene Kommunikation, regelmäßige Reflexionsformate und eine klare Lernintention. Wichtig ist, dass Führung nicht nur fordert, sondern auch aktiv Lernräume schafft.

Lernen wird gestärkt durch klare Ziele, unmittelbare Anwendungsmöglichkeiten, Raum für Fehler und Zeit zur Reflexion. Zusätzlich helfen feste Lernzeiten und unterstützende Gesprächsformate wie Lernreviews.

Zu den häufigsten Lernstrategien zählen Wiederholung, Visualisierung, Selbstreflexion, Mind-Mapping, PQ4R-Methode oder Lerntandems. Entscheidend ist, die Strategie dem Kontext und Lerntyp anzupassen.

Lernen gelingt besser in strukturierter Umgebung, mit klarer Relevanz, realistischen Erwartungen und ausreichenden Pausen. Auch Ernährung, Bewegung und ein ruhiges Umfeld steigern die kognitive Leistungsfähigkeit.

Lernmotivation steigt durch Sinn, Selbstbestimmung, soziale Einbindung und positive Lernerfahrungen. Besonders wichtig: Lernfortschritte sichtbar machen und individuelle Stärken gezielt nutzen.

Es gibt vier Haupttypen: intrinsisch, extrinsisch, aufgabenorientiert und kontextorientiert. Im beruflichen Lernen wirken vor allem Sinnbezug, Anerkennung, Autonomie und ein förderliches Umfeld.

Lernfähigkeit wächst durch gezielte Reize, regelmäßige Reflexion, klare Strukturen und störungsfreie Räume. Entscheidend ist, Lerngewohnheiten bewusst zu gestalten – statt Lernen dem Zufall zu überlassen.

Im ersten Teil dieser Serie haben wir gezeigt, wie die persönliche Lernhaltung entsteht, was sie beeinflusst – und welche Rolle das Selbstbild, Emotionen und die Führungskraft spielen. Doch selbst die lernbereiteste Person wird gehemmt, wenn das Umfeld kritische Fragen ahndet oder Rückschläge stumm bleiben müssen.

Deshalb geht es jetzt um den nächsten Schritt: Wie entsteht eine Lernkultur, die Mut macht – nicht lähmt?
Wie können Teams Räume schaffen, in denen Menschen sich zeigen, sich austauschen – und sich gemeinsam weiterentwickeln?

Die Antworten liegen oft näher als gedacht. Aber sie brauchen einen klaren Blick – und die Bereitschaft, an der Kultur zu arbeiten, nicht nur an den Menschen.

Key Takeaways

  • Lernkultur zeigt sich nicht in Konzepten, sondern im gelebten Alltag.
    Entscheidend ist, wie Menschen miteinander umgehen – nicht, welche Begriffe auf Präsentationsfolien stehen.
  • Psychologische Sicherheit ist die Voraussetzung, damit Lernen im Team gelingt.
    Nur wenn Fehler benannt, Fragen gestellt und Unsicherheiten zugelassen werden dürfen, entsteht Entwicklung.
  • Kultur lässt sich gestalten – durch Haltung, Sprache und Verhalten im Alltag.
    Wer Lernverhalten vorlebt, konsequent fördert und konsequent schützt, schafft die Grundlage für nachhaltige Entwicklung im Team.

Lernkultur verstehen: Warum Wissen allein nicht reicht

Reicht es, wenn alle wissen, was zu tun ist – aber niemand fragt, wie man gemeinsam dazulernen kann?

Viele Unternehmen investieren in Fortbildungen, Lernplattformen oder neue Tools. Doch trotz dieser Maßnahmen bleibt oft ein Gefühl zurück: Die Entwicklung stockt. Mitarbeitende wenden Gelerntes nicht an, stellen kaum Fragen oder tauschen sich nur oberflächlich aus. Dabei mangelt es nicht an Wissen – sondern am Kontext, in dem Lernen überhaupt wirksam werden kann.

Genau hier setzt Lernkultur an. Sie bildet den unsichtbaren Rahmen, in dem Lernen entweder gelingt – oder verhindert wird.

Was Lernkultur eigentlich meint – und was nicht

Lernkultur ist kein weiteres Programm und keine Trainingsmaßnahme. Sie beschreibt die gelebten Werte, Normen und Routinen, die bestimmen, ob Lernen im Alltag möglich, gewünscht und unterstützt wird.

„Lernkultur baut auf der Lernhaltung im Team und in der Organisation auf. Gemeinsam bilden Lernhaltung und Lernkultur die Grundlage, auf der das Lernen auch in herausfordernden, turbulenten und unsicheren Zeiten gelingt.“[1]

Lernkultur zeigt sich im täglichen Miteinander: Wie gehen wir mit Fehlern um? Wird Unwissen bestraft oder geteilt? Dürfen Fragen gestellt werden – oder werden sie belächelt? All das prägt, ob Menschen ihr Wissen einbringen, Neues wagen und voneinander lernen.

Woran man gelebte Lernkultur im Alltag erkennt

Lernkultur zeigt sich nicht in Leitbildern oder Schlagworten, sondern im täglichen Miteinander. Es sind die kleinen, oft beiläufigen Verhaltensweisen, an denen man erkennt, ob Lernen im Team wirklich gewünscht – oder nur geduldet wird. Die folgenden Merkmale sind typische Hinweise auf eine gelebte, lernförderliche Kultur:

  • Probleme werden offen angesprochen
    Statt Schuldige zu suchen, wird gemeinsam nach Lösungen gefragt – und das ohne Gesichtsverlust.
  • Zuhören geschieht aktiv und mit echtem Interesse
    Menschen lassen sich ausreden, stellen Rückfragen und bauen auf den Gedanken anderer auf.
  • Fehler dürfen benannt werden – ohne negative Folgen
    Es geht nicht um Bewertung, sondern um Lernen aus dem, was nicht wie geplant lief.
  • Erfahrungen werden regelmäßig reflektiert
    Ob in kurzen Feedbackrunden oder strukturierten Retrospektiven – Lernen findet statt, weil man sich Zeit dafür nimmt.
  • Austausch über Arbeitsinhalte ist selbstverständlich
    Wissen wird nicht gehortet, sondern weitergegeben – auch teamübergreifend und ohne unmittelbaren Eigennutzen.

Diese Verhaltensweisen wirken einzeln vielleicht unscheinbar. Doch zusammen bilden sie den optimalen Nährboden für eine Kultur, in der Entwicklung, Innovation und Verantwortung wachsen können.

Individuell lernen – oder gemeinsam wirksam werden?

Lernen lässt sich auf zwei Ebenen betrachten: individuell (eine Person eignet sich Wissen an) – oder systemisch (ein ganzes Team oder ein Unternehmen verändert sich nachhaltig). Lernkultur ist der Schlüssel, damit aus individuellem Lernen kollektive Weiterentwicklung wird.

Denn selbst die lernfreudigste Einzelperson wird gehemmt, wenn ihr Umfeld Rückfragen als Kritik versteht oder neue Ideen als Störung wahrnimmt. Kultur bestimmt, ob aus Gelerntem Handlung wird – oder nur gut gemeinte Absicht bleibt.

Fazit: Lernkultur entscheidet, ob Wissen wirkt

Lernkultur ist das Fundament, auf dem alles Weitere aufbaut. Sie bestimmt, ob Lernen alltäglich oder ausweichend, ob offen oder defensiv stattfindet. Wer sie stärkt, legt die Basis für gemeinsames Wachstum – auch und gerade in Zeiten von Unsicherheit und Veränderung.

Voraussetzungen für gelingende Lernkultur: Sicherheit vor Leistung

Wie offen würden Menschen in Ihrem Team sprechen, wenn sie wüssten, dass keine Bewertung folgt?

Offenheit ist die Grundlage jeder Lernkultur – doch sie entsteht nicht durch Appelle. Wenn Menschen befürchten, für Fehler kritisiert oder bloßgestellt zu werden, halten sie sich zurück. Sie sprechen nicht über Unsicherheiten, behalten Ideen für sich – oder lassen lieber andere vorgehen. Lernen wird dann zur Risikoabwägung statt zur Entwicklungschance.

Der Schlüssel, um diesen Kreislauf zu durchbrechen, heißt: psychologische Sicherheit.

Was psychologische Sicherheit bedeutet – und was nicht

Psychologische Sicherheit meint nicht, dass alle sich immer wohlfühlen müssen. Vielmehr beschreibt sie ein Klima, in dem Menschen interpersonelle Risiken eingehen können, ohne negative Konsequenzen fürchten zu müssen – zum Beispiel, indem sie Fragen stellen, Fehler eingestehen oder neue Ideen äußern.

„Gleichzeitig ist es ein Missverständnis, psychologische Sicherheit mit einer Wohlfühl- oder Komfortzone gleichzusetzen, in der Mitarbeitende nicht für ihre Leistung verantwortlich gehalten werden.“[2]

Diese Sicherheit entsteht nicht durch Regeln oder Prozesse, sondern durch Haltung, Sprache und gelebte Reaktion. Gerade deshalb ist sie so kraftvoll – und so leicht zu übersehen.

Zwischen Angst und Entwicklung: Vier Zonen im Zusammenspiel von Sicherheit und Leistung

Psychologische Sicherheit und Leistungsanspruch sind zwei entscheidende Einflussfaktoren für Teamdynamik und Lernverhalten. Doch erst ihr Zusammenspiel bestimmt, ob Lernen gelingt – oder blockiert wird. Amy Edmondson unterscheidet dabei vier Zonen, die in der Praxis sehr unterschiedlich wirken:

  • Zone der Apathie
    Wenn sowohl psychologische Sicherheit als auch Leistungsanforderung fehlen, entsteht ein Klima der Gleichgültigkeit. In dieser Zone ist kaum Energie für Entwicklung vorhanden – weder emotional noch fachlich.
  • Zone der Vorsicht
    Bei hoher Leistungsorientierung, aber gleichzeitig geringer psychologischer Sicherheit herrscht Anspannung. Menschen agieren defensiv, vermeiden Fehler und zeigen wenig Eigeninitiative – Lernen wird zum Risiko.
  • Zone der Bequemlichkeit
    Wenn zwar ein sicherer Raum besteht, aber kaum Leistungsimpulse gesetzt werden, bleibt Lernen auf der Stelle stehen. Wohlwollen dominiert, aber echtes Wachstum bleibt aus.
  • Zone des Lernens
    Dort, wo hohe Sicherheit auf klare Erwartungen trifft, entsteht echter Fortschritt. In dieser Zone dürfen Menschen mutig denken, Neues erproben – und dabei wachsen.

Diese vier Zonen helfen, Teamsituationen besser zu verstehen und gezielt zu gestalten, denn Veränderung braucht beides: verlässliche Sicherheit – und einen klaren Anspruch an Entwicklung.

Was Teams brauchen, um gemeinsam zu lernen

Psychologische Sicherheit entsteht nicht durch einen Workshop, sondern durch viele kleine Momente im Alltag. Dennoch lassen sich zentrale Voraussetzungen benennen, die für jede lernförderliche Teamkultur entscheidend sind:

  1. Respekt im Umgang – unabhängig von Position oder Erfahrung
  2. Wertschätzende Reaktion auf Unsicherheit – Fragen werden nicht belächelt
  3. Fehler dürfen besprochen werden – ohne Gesichtsverlust
  4. Lernziele sind legitim – Lernen zählt genauso wie Leistung
  5. Führungskräfte zeigen Lernverhalten vor – sichtbar und ehrlich

Diese Merkmale machen den Unterschied zwischen einem Ort, an dem Menschen vorsichtig funktionieren – und einem, an dem sie sich einbringen und wachsen.

Fazit: Wer Lernen ermöglichen will, muss Sicherheit schaffen

Bevor neue Ideen entstehen, muss Sicherheit da sein. Bevor aus Fehlern gelernt wird, muss klar sein: Hier wird nicht abgestraft – sondern hingeschaut.
Psychologische Sicherheit ist kein weiches Extra, sondern eine strategische Voraussetzung für gemeinsames Lernen – und damit für Leistung, die wirklich trägt.

Woran man eine lernförderliche Kultur erkennt – und woran nicht

Wie zeigt sich eigentlich Lernkultur – wenn niemand darüber spricht?

Lernkultur ist kein Programm und kein Projekt. Sie wirkt leise, oft zwischen den Zeilen – und genau deshalb so nachhaltig. Nicht offizielle Statements oder Strategiepapiere entscheiden über die Qualität der Lernkultur, sondern der gelebte Alltag. Es geht um das, was Teams tatsächlich tun, wenn niemand zusieht – in Meetings, bei Entscheidungen, in Pausen oder beim Umgang mit Fehlern.

Was dabei häufig übersehen wird: Auch eine scheinbar offene Kultur kann Blockaden enthalten. Denn Teams verhalten sich selten so, wie es auf dem Papier steht – sondern so, wie es im Miteinander erlebt wird. Und dieser Unterschied ist entscheidend.

„Kultur ist, wie wir Dinge tun und wie wir uns verhalten und miteinander umgehen.“[3]

Was Teams im Alltag tun – oder eben nicht

Ob eine Lernkultur trägt, zeigt sich besonders dann, wenn es schwierig wird: bei Rückschlägen, Missverständnissen oder Meinungsverschiedenheiten. Wer genau hinsieht, erkennt schnell erste Signale – manche fördern Entwicklung, andere bremsen sie. Dabei geht es nicht um Bewertung, sondern um Aufmerksamkeit für das, was ist.

Typische Anzeichen für eine lernförderliche Kultur sind:

  • Ideen und Zweifel werden geäußert, auch wenn sie nicht sofort zu Lösungen führen.
  • Feedback ist selbstverständlich – nicht als Kritik, sondern als Teil der Zusammenarbeit.
  • Fragen gelten als Zeichen von Interesse, nicht als Unwissen.
  • Fehler werden benannt, reflektiert und konstruktiv genutzt.
  • Wissen wird geteilt, auch ohne unmittelbaren Nutzen für die eigene Aufgabe.
  • Reflexion hat einen festen Platz, z. B. in Retrospektiven, Teamrunden oder 1:1-Gesprächen.
  • Unterschiedliche Perspektiven werden eingeladen, nicht abgewehrt.

Diese Beobachtungen sind keine Checkliste zum Abhaken – sie sind Hinweise auf eine Kultur, in der Lernen nicht nur erlaubt, sondern erwünscht ist.

Fazit: Kultur ist das, was wirkt – nicht das, was geplant war

Lernkultur zeigt sich nicht in Absichten, sondern im Verhalten. Entscheidend ist, wie sich Menschen in ihrer Umgebung fühlen – ob sie sich zeigen dürfen, ob sie sich einbringen wollen, ob sie sich entwickeln können. Diese Fragen lassen sich nicht per Prozess klären, aber sie lassen sich beobachten – und gezielt verändern.

Denn wer die stillen Regeln kennt, kann anfangen, sie bewusst zu gestalten. Schritt für Schritt, Gespräch für Gespräch.

Kultur beginnt bei Haltung – und zeigt sich im Alltag

Warum gute Absichten nicht reichen, wenn die Signale im Alltag etwas anderes sagen

Oftmals werden in Unternehmen ambitionierte Werte formuliert: Lernfreude, Offenheit, Innovation. Doch im gelebten Alltag wirken oft ganz andere Kräfte. Denn ob sich diese Werte tatsächlich entfalten können, hängt entscheidend davon ab, welche Haltung das Miteinander prägt – und wie diese sich in Routinen, Reaktionen und Regeln niederschlägt.

Während Haltung im Inneren verankert ist, wird Kultur durch gemeinsames Verhalten sichtbar. Doch die beiden beeinflussen sich gegenseitig: Eine Kultur, die Wertschätzung und Offenheit lebt, verstärkt die Lernhaltung der Einzelnen – und umgekehrt. Gerade deshalb lohnt es sich, nicht bei Konzepten stehen zu bleiben, sondern Verhalten bewusst zu gestalten.

„Während unsere Haltung individuell ist und im Innenleben eines jeden verortet, wird Kultur in der Gemeinschaft geprägt und gelebt. Dadurch beeinflussen sich Lernhaltung und Lernkultur gegenseitig.“[4]

Implizite Kultur schlägt formale Regel – jeden Tag

Es sind nicht die offiziellen Prozesse, die Kultur prägen, sondern die ungeschriebenen Regeln. Also das, was tatsächlich passiert, wenn Konflikte entstehen, wenn ein Fehler auffliegt oder wenn jemand Unsicherheit zeigt. Und gerade diese alltäglichen Momente vermitteln stärker als jede Strategie, ob Lernen gewünscht – oder eher geduldet – ist.

Was dabei oft übersehen wird: Auch unterlassene Reaktionen senden eine Botschaft. Bleibt Wertschätzung aus, entsteht Verunsicherung. Wird Nachfragen abgewertet, entsteht Schweigen. So wirken Haltung und Kultur nicht über Maßnahmen, sondern über Signale – manchmal bewusst, oft unbeabsichtigt.

Sechs Alltagssituationen, in denen sich Haltung in Kultur verwandelt

Diese Situationen wirken klein – doch sie prägen das Miteinander. Wer sie erkennt und aktiv gestaltet, verändert Kultur Stück für Stück:

  • Ein Mitarbeiter bittet um Unterstützung – und bekommt echtes Zuhören statt schneller Lösungen.
  • Eine Präsentation enthält Fehler – und das Team fragt nach, ohne Schuldige zu suchen.
  • Jemand äußert Zweifel an einer geplanten Maßnahme – und wird eingeladen, die Perspektive zu erläutern.
  • Eine Führungskraft gibt zu, etwas noch nicht zu wissen – und zeigt damit: Lernen ist erlaubt.
  • In einem Meeting wird ein impulsiver Vorschlag gemacht – und weitergedacht, nicht abgewürgt.
  • Eine Person fällt leistungsmäßig zurück – und bekommt zuerst die Frage: „Woran könnte das liegen?“, nicht: „Was stimmt mit dir nicht?“

Solche alltäglichen Momente sind keine Nebensache. Sie sind Kultur in Aktion.

Fazit: Haltung zeigt sich nicht in Plänen – sondern im Handeln

Kultur wirkt, weil sie durch gelebte Haltung entsteht. Und sie verändert sich, wenn Menschen bereit sind, ihr Verhalten bewusst zu reflektieren – nicht in großen Kampagnen, sondern in kleinen Gewohnheiten. Wer seine Haltung kennt und konsequent zeigt, prägt das Klima, in dem Lernen gedeihen kann. Denn am Ende ist es nicht die Idee vom Lernen, die wirkt – sondern das gelebte Miteinander, das es ermöglicht.

Fünf zentrale Hebel für eine lernförderliche Kultur im Team

Wie lässt sich Lernkultur konkret gestalten – ohne sofort die ganze Organisation umzubauen?

Lernkultur ist kein Idealzustand, den man ein für alle Mal erreicht. Sie entsteht in täglichen Handlungen, in Sprache, im Umgang miteinander. Gerade deshalb wirkt sie dort am stärksten, wo Führungskräfte bewusst den Raum für Lernen öffnen – nicht durch Kontrolle, sondern durch klare Signale, die Sicherheit und Vertrauen schaffen.

Die fünf wirksamsten Ansatzpunkte für Lernkultur im Team

  1. Einen klaren Rahmen setzen
    Lernen wird explizit gewünscht, erwartet und als Schlüssel zum gemeinsamen Erfolg verstanden. Das bedeutet: Führung benennt, warum Lernen notwendig ist – und lebt dies vor, durch eigenes Verhalten und Haltung.
  2. Psychologische Sicherheit aktiv stärken
    Teams lernen nur, wenn sie sich sicher fühlen. Offene Fragen, Unsicherheit und Fehler müssen angesprochen werden dürfen – ohne Sanktionen oder Gesichtsverlust. Das schafft Vertrauen und senkt Barrieren.
  3. Vertrauen kontinuierlich wachsen lassen
    Vertrauen entsteht nicht durch ein einzelnes Gespräch, sondern durch Verlässlichkeit im Alltag: durch gehaltene Zusagen, ehrliche Rückmeldungen und eine konsequente Haltung auch bei Spannungen.
  4. Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung fördern
    Lernen ist selten eine Einzelleistung. Dort, wo Teams sich helfen, Wissen weitergeben und gemeinsam reflektieren, entsteht ein kollektiver Lernprozess – und damit langfristige Leistungsfähigkeit.
  5. Denk- und Handlungsmuster des Lernens einüben
    Reflexion, Feedback, Hypothesenbildung und das bewusste Aushalten von Nicht-Wissen – all das braucht Übung. Je mehr Lernverhalten im Alltag sichtbar wird, desto mehr wird es zum Normalfall.

„Beim Gestalten der Lernkultur geht es nicht darum, noch mehr Aufgaben oben drauf zu packen […]. Vielmehr geht es darum, Dinge dauerhaft anders zu machen.“[5]

Fazit: Lernkultur ist eine Praxis – kein Projekt

Wer Lernkultur gestalten will, braucht keine neue Struktur – sondern Haltung, Klarheit und Konsequenz im Alltag. Die genannten fünf Hebel sind keine Theorie, sondern konkrete Ansatzpunkte, die Teams Schritt für Schritt weiterbringen. Entscheidend ist, dass jemand anfängt – und dranbleibt.

Denn Lernen beginnt mit Bewegung. Und Kultur verändert sich, wenn Menschen sich verändern dürfen.

Lernkultur entsteht nicht durch Konzepte – sondern durch tägliche Haltung

Lernkultur ist kein Zustand, sondern ein Prozess. Sie entsteht dort, wo Menschen sich sicher genug fühlen, Fragen zu stellen, Ideen einzubringen und Fehler nicht zu verstecken. Sie wächst, wenn Führung nicht nur Leistung fordert, sondern Raum für Entwicklung lässt. Und sie wird sichtbar in den kleinen, oft unbeachteten Momenten des Miteinanders – dort, wo Vertrauen sich entscheidet.

Wer Lernkultur gestalten will, benötigt keine perfekte Blaupause, sondern einen klaren Blick für das, was wirkt. Denn nicht Programme oder Pläne machen den Unterschied, sondern das gelebte Verhalten im Alltag – in Meetings, Gesprächen, Rückfragen, Feedback und Konflikten.

Lernen im Team ist mehr als ein Austausch von Wissen. Es ist ein sozialer Prozess, der Haltung voraussetzt – und durch Kultur getragen wird.

Ausblick: Wenn Lernen zur Bewegung wird

Doch wie wird Lernen tatsächlich zum Teil des Alltags? Wie gelingt es, Lernprozesse systematisch zu verankern – ohne sie in Routinen zu ersticken? Und wie entsteht aus Haltung und Kultur eine veränderungsfähige Organisation, die nicht auf Wandel reagiert, sondern ihn mitgestaltet?

Darum geht es im dritten Teil dieser Serie. Wir zeigen, wie Lernen in Bewegung bleibt – und wie aus einem Kulturwandel nachhaltige Entwicklung wird.

Bleiben Sie dran – es lohnt sich.

Fußnoten

[1] Sabrina Malter (2025) „Lernen leben – Ein Praxisleitfaden zu Lernkultur und Lernkompetenz für Führungskräfte und Change Agents“, Springer-Verlag, 27. (Link)

[2] Sabrina Malter (2025) „Lernen leben – Ein Praxisleitfaden zu Lernkultur und Lernkompetenz für Führungskräfte und Change Agents“, Springer-Verlag, 37. (Link)

[3] Sabrina Malter (2025) „Lernen leben – Ein Praxisleitfaden zu Lernkultur und Lernkompetenz für Führungskräfte und Change Agents“, Springer-Verlag, 30. (Link)

[4] Sabrina Malter (2025) „Lernen leben – Ein Praxisleitfaden zu Lernkultur und Lernkompetenz für Führungskräfte und Change Agents“, Springer-Verlag, 28. (Link)

[5] Sabrina Malter (2025) „Lernen leben – Ein Praxisleitfaden zu Lernkultur und Lernkompetenz für Führungskräfte und Change Agents“, Springer-Verlag, 32. (Link)

Quellen

Foto oben: © TriangleProd / Freepik.com (Link)